Lisa Batiashvili über Ideen die Kulturbranche attraktiver zu machen
NDR Kultur Bei NDR Kultur à la carte spricht Lisa Batiashvili über die Stimmung in der Kulturbranche nach zwei Jahren Pandemie. Ob sie fürchtet, Auftritte im Konzertsaal nur noch vor mager besetzten Rängen zu...
Bei NDR Kultur à la carte spricht Lisa Batiashvili über die Stimmung in der Kulturbranche nach zwei Jahren Pandemie. Ob sie fürchtet, Auftritte im Konzertsaal nur noch vor mager besetzten Rängen zu haben, verrät sie im Gespräch mit Beate Scheibe.
“Secret Love Letters”, das ist der Titel des neuen Albums der georgischen Geigerin Lisa Batiashvili, das am 19. August bei der Deutschen Grammophon erschienen ist. Zum ersten Mal ist damit eine Aufnahme zusammen mit einem amerikanischen Ensemble entstanden, dem Philadelphia Orchestra unter der Leitung von Yannick Nézet-Séguin. Es ist eine CD, die von der Liebe erzählt, von verbotener Liebe oder auch von vergangener Liebe. Herzstück der Produktion ist das erste Violinkonzert von Karol Szymanowski, außerdem finden sich Werke von Ernest Chausson, César Franck und Claude Debussy auf dem Album.
Wir schauen auf die Kulturbranche, zwei Jahre nach der Pandemie. ‘Neustart Kultur ohne Publikum’ – das ist Thema und da stehen viele Fragen im Raum. Sind die Häuser wieder voll? Hat die Pandemie das Publikum vorsichtiger werden lassen? Gibt es weniger Abonnenten für die Konzerte? Viele Fragen, die gar nicht so leicht zu beantworten sind. Lisa, Du bist ganz gut durch die Pandemie gekommen, aber wie ist es aktuell? Hat sich zwei Jahre nach der Pandemie etwas verändert?
Lisa Batiashvili: Diese Fragen sehe ich auch, vor allem das Fragezeichen in unserer Kulturbranche. Wird das alles wieder so sein wie früher? Ich merke auch, dass das Publikum ein bisschen zögerlicher ist. Es muss nicht unbedingt alles so sein wie früher, denn die Zeiten sind momentan sehr schwierig. Wir befinden uns in einer globalen Krise, die auf mehreren Schienen läuft. Ich denke, wir müssen uns in jeder Hinsicht erneuern. Das gilt auch für die klassische Branche. Und zwar nicht, indem man noch mehr Konzerte anbietet, sondern dass man das Publikum in alle Projekte einbezieht und dass es in einem Konzert vielleicht sogar visuelle Darstellungen gibt. Ich muss ganz ehrlich sagen, ich war jetzt bei einem Coldplay Konzert in Glasgow. Ich habe den Vorverkauf mitverfolgt und der war für diese Tournee und auch für die Tournee im nächsten Jahr innerhalb von zehn Minuten ausverkauft, ganze zehn Stadien. Deswegen kann ich natürlich nicht sagen, dass nach Corona keine Leute mehr ins Konzert kommen. Es gibt ein Publikum, das sich unglaublich freut, rauszugehen und gemeinsam die Musik feiern möchte.
In der Klassikbranche sind wir immer noch recht konservativ unterwegs, gerade was die Konzerte angeht und wie sie ablaufen. Es gibt natürlich Pre-concert-talks und Gespräche. Das ist sehr gut, aber ich glaube, jetzt ist die Zeit gekommen, sich tatsächlich Gedanken darüber zu machen, wie wir ein klassisches Konzert visuell darstellen können. Denn es ist eigentlich kein Nachteil und keine Sünde, wenn das Publikum ins Konzert kommt und einen Lichteffekt oder etwas fürs Auge haben möchte. Denn Ohr, Auge und Gefühl – das ist alles miteinander verbunden. Ich würde sagen, wir müssen uns Gedanken machen, wie es nach der Pandemie weitergeht. Wie können wir unsere klassischen Konzerte für das Publikum neu präsentieren?
Gäbe es noch mehr Ideen, wie das gelingen kann?
Batiashvili: Ich habe mir Gedanken darüber gemacht, nachdem ich mein Album ‘City Lights’ aufgenommen habe und nach zwei Jahren Krise und Pandemie endlich mal meinen ersten Live-Auftritt für ‘City Lights’ plane. Für mich ist es ganz klar, das Album wird durch das Repertoire ein Projekt sein, das visualisiert wird. Natürlich spricht ‘City Lights’ auch dafür, dass die Lichter für den Auftritt konzipiert werden. Es wird auch ein Video auf einer Leinwand geben – mal ein ganz anderes Projekt, aber ich denke mir – warum nicht? Warum erzählen wir nicht auch die Geschichten für die Augen? Wir haben bei sinfonischen Werken sowieso kein Wort. Das heißt, wir können nicht singen, aber wir können was für das Auge tun. Ich glaube, man kann das geschmackvoll machen, dass die Musik verstärkt wird und nicht dagegen arbeitet.
Beim Projekt ‘City Lights’ liegt es geradezu nahe und ich kann mir das auch sehr schön vorstellen. Nun geht das vielleicht nicht für alle Konzerte des Klassikbetriebs.
Batiashvili: Es muss immer abwechslungsreich sein und da kann man sich dann auch die Freiheit nehmen und mit den kreativen Menschen sprechen, wie man es umsetzen kann. Es kann manchmal auch nur ein Spotlight auf der Bühne sein – selbst das erzeugt schon einen Effekt. Ich wäre wirklich dafür, dass irgendwas passiert. Allein schon der Höhepunkt, der erreicht wird, wenn ein Künstler die Bühne betritt. Das können wir von anderen Branchen wirklich lernen. Wir sind alle Menschen, wir sind jung, wir haben Empfindungen, wir haben unseren Geschmack – und warum sollte man, wenn man älter wird, das auch nicht genießen wollen? Durch das Album ‘City Lights’ habe ich für mich verstanden, dass es keine klaren Grenzen zwischen Musikbranchen gibt, sondern man alles zusammenbringen kann. Es gibt Komponisten, die sowohl Filmmusik und klassische Musik geschrieben haben und mit Volksmusik verbunden haben. Wir sollten uns ein bisschen mehr öffnen.