Die georgische Geigerin Lisa Batiashvili spielt am Wochenende zusammen mit ihrem Mann François Leleux in München und ist künftig künstlerische Leiterin der Audi Sommerkonzerte in Ingolstadt

Süddeutsche Zeitung

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Bevor man zum eigentlichen Thema des Treffens kommt, müssen erst einmal ein paar grundsätzliche Sachen beredet werden. Das Thema wäre im engeren Sinn: Lisa Batiashvili gibt diesen Samstag zusammen mit ihrem Mann François Leleux, einem weltberühmten Oboisten, und der Camerata Salzburg ein Konzert im Herkulessaal der Residenz, das Leleux auch selbst dirigiert. Außerdem kuratiert die georgische Geigerin von diesem Jahr an die Audi Sommerkonzerte in Ingolstadt, eine Künstlerin wird dort also künstlerische Leiterin.

Lisa Batiashvili besitzt den großen Charme unaufgeregter Intelligenz. Sie ist sicherlich ein Star, sie ist vor allem aber ein Mensch. Ein Mensch, der gern zu Hause ist – “war als Kind schon so” -, der Mutter ist, deshalb nicht mehr als maximal zehn Tage im Monat von der Familie getrennt sein will. Batiashvili ist in drei Kulturen zu Hause. In der georgischen, in der sie aufwuchs, bis die Familie 1991 nach Deutschland zog, weil die Eltern im damals schon bürgerkriegsbedrohten Georgien keine Zukunft sahen. So kam die deutsche Kultur dazu, über ihren Mann die französische. Heimat blieb im Gefühl immer Georgien, aber das Leben mit allen für sie wichtigen Begegnungen, das sei vor allem in Deutschland passiert.

Musiker sind generell Menschen, die mit geografischen Grenzen nicht allzu viel anzufangen wissen. “Jeder, der viel gereist ist, wird immer breiter denken. Europa muss zusammenhalten. Wir müssen es nicht nur erhalten, wir müssen auch daran glauben. Viele Emigrierte glauben stärker an Europa als die Menschen, die schon lange hier leben.” Lisa Batiashvili ist keine Musikerin, die nur in schwarzen Punkten auf fünf Linien denkt. Sie glaubt auch daran, dass Künstler das Recht haben, darüber zu sprechen, woran sie glauben. Die Menschen, die alles negativ sehen, sind ihr viel zu laut geworden in Europa.

Das Gespräch mit ihr findet in einem Café in Haidhausen statt, unweit ihrer Wohnung und der Philharmonie. Dort, in der Philharmonie, arbeitet ein Chefdirigent, der in der Vergangenheit schon mal zumindest für den hiesigen Kontext eigenwillige politische Haltungen offenbarte. Man käme gar nicht auf die Idee, bei dieser Gelegenheit weiter darüber nachzudenken, aber Georgien ist nun einmal ein Land mit einem übermächtigen Nachbarn. Einmal hat Lisa Batiashvili mit Valery Gergiev zusammen musiziert, in Rotterdam. Bei diesem Konzert gab sie ein Statement ab – sie spielte das für sie komponierte “Requiem für die Ukraine”.

“Politiker, die Macht haben, zählen auf die Unterstützung durch die Kultur. In Russland stört das die Menschen nicht so sehr.” Was vielleicht an einem Mangel an Erfahrung im Umgang mit Demokratie liegt. Den muss man lernen. Fragt sich vielleicht nur, wann und wie man damit anfängt.

Als Lisa Batiashvili zwei Jahre alt war, überredete sie ihren Vater, ihr ein geigenähnliches Ding zu besorgen. Der Papa unterrichtete in Georgien, auch Kinder, die schon ein paar Jahre älter waren als Lisa. Das fand sie interessant und sehr schön. Das wollte sie auch machen. Und dabei blieb es.

In dieser Saison hat sie so etwas wie eine Residence beim Münchner Konzertveranstalter Hörtnagel, was bedeutet, dass sie drei Konzerte in sehr unterschiedlichen Konstellationen gibt. Mit ihrem Mann habe sie noch gar nicht so oft gespielt, weil es etwas Besonderes bleiben soll. Und wegen der Kinder. Am kommenden Samstag nutzt sie die Gelegenheit, neben Mozart, Lebrun und Mendelssohn auch ein Stück von Gija Kancheli zu spielen, “Chiaroscuro” für Violine und Streichorchester. Kancheli wurde 1935 in Tiflis geboren. Tiflis ist die Hauptstadt Georgiens.

“Irgendwann ist man nicht mehr nur der Entertainer, der auf der Bühne seinen Job erledigt.” Und dann leitet man halt zum ersten Mal ein Festival, mit den Menschen, “mit denen man schon seit 20 Jahren zusammenarbeitet”. Vermutlich ist das genau das Schönste, wenn man als Künstler ein Festivalprogramm zusammenstellen darf. Über die Jahre hat Batiashvili freundschaftliche Beziehungen zu großen Orchestern, zu vielen Musiker hergestellt. Dazu kann sie jetzt auch noch die einladen, die sie bewundert.

Seit 20 Jahren fährt sie privat einen Audi, weil sie sich für Technik begeistern kann. Das wussten die Autobauer wohl gar nicht, als sie auf sie zukamen. Dann verdichtete sie das Festival auf gut zwei Wochen, versammelte “in völliger Freiheit” die Künstler, mit denen sie arbeiten wollte und hatte eine zauberhafte Idee, um neues Publikum zu gewinnen: Disneys Zeichentrickfilm “Fantasia”.